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  • Lynn Blattmann

Wie Rohmilchkäse heute auf der Alp entsteht


Alpkäse wird wieder beliebter. Viele Menschen schätzen besonders den Rohmilchkäse von unseren Sömmerungsalpen wieder mehr, weil man aus ihm die Alpwiesen besser herausschmeckt. Aber nur wenige wissen, wie viel Herzblut und Arbeit der Bauern in solchem Käse drin ist. Das erfahrene Älplerpaar Fredi und Marianne Schmid haben uns ihren Käsekeller und ihren Produktionsraum gezeigt und uns erzählt, was hinter diesem speziellen Produkt steckt. (Hören Sie dazu auch unseren Podcast: Wie Rohmilchkäse heute auf der Alp entsteht).

Als wir zur Alp Untere Hundslanden hinaufsteigen, scheint noch die Sonne. Vor uns liegt der Kronberg und hinter uns ragt der Schäfler spitz auf. Die Weiden sind steil, und kaum verbuscht. Gepflegt werden sie nicht nur von den rund 20 Kühen und 30 Rindern der Familie Schmid, sondern auch von der Familie selbst, die jeweils im Frühjahr tagelang mit vereinten Kräften die Weiden von Steinbrocken und Gehölz befreien müssen, die von Lawinen hinterlassen werden.

Erst dann können die Schmids alle ihre Tiere in Viehtransporter laden und mit ihnen in den Alpstein fahren. Neben den Kühen und Rindern leben auf der Alp auch noch 6 Schweine und der Hund der Familie. Die Schmids betreiben einen Bauernhof in Wittenbach St. Gallen, aber jeweils im Mai verlassen sie ihren Betrieb für 15 Wochen, um auf der Alp untere Hundslanden am Fuss des Schäflers ein einfaches und mühsames Älplerleben zu führen, zu dem es auch gehört, die eigene Milch selbst zu verkäsen.


In den 70er Jahren wollte keiner mehr auf die Alp

Als Grossvater Schmid 1972 zum ersten Mal mit seinem Vieh zur Sömmerung auf die Alp fuhr, war Not auf den appenzeller Alpen, denn keiner wollte die mühsame Sennenarbeit machen.

Da es damals noch keine Möglichkeit gab, mit einem Fahrzeug zur Alphütte der unteren Hundslanden zu fahren, war diese Alp besonders unattraktiv für die lokalen Bauern. Die schöne Alp drohte zu verbuschen und für die landwirtschaftliche Nutzung wertlos zu werden.

Die Eigentümer gaben jedoch nicht auf, sie setzten ein Inserat für einen Pächter in die Zeitung St. Galler Bauer, nachdem ihre Suche im Appenzellerland erfolglos gewesen war. Dies war die Chance für die Familie Schmid, die die Alp mittlerweile in zweiter Generation seit fünfzig Jahren bewirtschaftet.


Käsen fast wie vor 100 Jahren

Wenn die Schmids am Abend ihre Kühe melken, wird die Milch im eiskalten Brunnen über Nacht gekühlt. Diese wird am nächsten Morgen zusammen mit der noch kuhwarmen frischen Milch in den grossen Kupferkessel in der Küche der Alphütte gegossen. Unter dem Kessel wird ein Feuer gemacht und die Milch wird langsam und möglichst gleichmässig erwärmt. Wenn die Milch etwas über 20 Grad erreicht hat, werden die Bakterienkulturen zugegeben, dann wird langsam weiter erwärmt.

Sobald die Temperatur für die Labzugabe erreicht ist, wird die Glut unter dem Kessel entfernt und das Lab wird zugegeben, damit die Milch bricht. Dadurch wird das Eiweiss und Fett von der Molke getrennt. Nach der Labzugabe dauert es etwas mehr als eine halbe Stunde bis die Milch gallertig wird und dann mit der Käseharfe in kleine Stücke gebrochen werden kann. Es entsteht die flüssige Molke, die später den sechs Schweinen auf der Alp verfüttert wird und der Käsebruch, also der Rohstoff für die Mutschli und den Alpkäse.

Wenn der Käser oder die Käserin Mutschli herstellen will, darf der Käsebruch noch etwas wasserhaltiger sein, für den Alpkäse wird der Bruch gebrannt, also noch auf ca. 42-44 Grad erhitzt, damit er mehr Wasser verliert, was dazu führt, dass der Käse später haltbarer wird.


Für das Käsen mit Rohmilch braucht es nicht nur ein solides Wissen über den Umgang mit Bakterien, sondern auch viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, denn Käsen ist nichts anderes als die höhere Dressur von Bakterien in der Milch. Da beim Rohmilchkäse die Milch vor dem Käsen nicht pasteurisiert wird, um alle vorhandenen Bakterien abzutöten, muss mit den vorhandenen Bakterien und neuen Bakterienkulturen gearbeitet werden und es muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass das Gleichgewicht der verschiedenen Kleinstlebewesen im Käse stimmt, denn sonst würde der Käse verderben.

Links: Fredi Schmid beim Schneiden des Käsebruchs Bild: Appenzell Tourismus


Früher wurde beim Käsen nur mit eigenen Kulturen gearbeitet, wie beim Sauerteig ergab die Mixtur der Bakterien den Geschmack des Käses. Heute ist dies leider verboten. Alle Käser müssen hygienisch verpackte industriell gefertigte und kontrollierte Kulturen in ihren Käse geben. Damit ist die Lebensmittelsicherheit sicher gestiegen, aber die Geschmacksvielfalt unserer Käsespezialitäten leidet unter solchen gutgemeinten Vorschriften.

Es ist sicher so, dass mit unsauberem Arbeiten schlechter, ja gesundheitsschädlicher Käse entsteht, aber gerade auf den Alpen, wo die eigene Milch durch die Milchproduzenten verkäst wird, ist das Gelingen des Käses das oberste Anliegen der Käserin oder des Käsers- Es ist auch die Sauberkeit in der einfachen Käseküche auf der Alp untere Hundslanden, die mir beim Besuch als erstes ins Auge springt. Marianne und Fredi Schmid wissen genau, wie wichtig die richtigen, aber auch wie gefährlich die falschen Bakterien für ihren Käse sind.

Sie gehen mit ihnen so sorgsam und umsichtig um wie mit allen ihren Tieren, sie verlassen sich dabei auch nicht nur auf ihr Gefühl. Die Werte der verschiedenen Bakterienstämme in der Milch werden regelmässig gemessen, die Produktion wird täglich genau protokolliert.

Links: Marianne Schmid-Jäger beim Wenden der frischen Käselaibe in der Salzlake.


Es ist diese Mischung aus wissenschaftlicher Genauigkeit, Sorgfalt und langjähriger Erfahrung, die als Geheimnis hinter dieser modern-traditionellen Käseherastellung steht. Gearbeitet wird weitgehend noch wie vor hundert Jahren, aber kontrolliert und abgesichert wird der Produktionsprozess mit modernen Mitteln.

Das Ergebnis dieser Arbeit spürt der Konsument oder die Konsumentin auf der Zunge. Der Alpkäse schmeckt frisch, klar, mit einem Hauch von Kräutern, die Mutschlis sind sowohl nature als auch mit Pfeffer oder mit selbstgesuchtem Barlauch von der Alp ein Genuss.


Selbstvermarktung als Chance

Marianne Schmid käst nicht nur in der Käseküche, sie ist neben der Pflege der Käselaibe im Keller auch für die Vermarktung der Mutschlis und des Alpkäses der Alp Hundslanden zuständig. Sie liefert die Ware an Läden, an Direktabnehmer und an Restaurants der Umgebung aus, die den besonders feinen Geschmack und die Qualität ihres Rohmilchkäses zu schätzen wissen. Dank der Selbstvermarktung bleibt fast die ganze Wertschöpfungskette in der Hand der Bauern, so bleibt der Ertrag auch dort, wo die viele Arbeit ist.

Pro Sommer werden auf der Alp mehr als anderthalb Tonnen Käse produziert. Da die Konsumenten mittlerweile den besonderen Wert ihres so aufwändig produzierten Käses schätzen gelernt haben, ist der Absatz vorläufig gesichert. Dies ist auch eine Chance für die nächste Generation. Ein Sohn der Schmids hat Bauer gelernt. Seit er ein kleiner Junge war, hat er im Sommer auf der Alp seinen Eltern geholfen. Von der harten Arbeit auf der Alp und beim Käsen lässt er sich nicht abhalten, die Alp ist längst ein Teil seines Lebens geworden. Später würde er mit seiner Familie gerne die Alp bewirtschaften und so die Tradion der Schmids aus dem Kanton St. Gallen im Alpstein weiterführen. (Rechts: Ruedi Schmid, die nächste Generation für die Alp Untere Hundslanden ist schon bereit




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