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Dessert: von den Römern zum Geschlechterkitt

Lynn Blattmann

Die Nachspeise wurde von den Römern erfunden, sie rundet das gelungene Essen in Gesellschaft ab.
Die Nachspeise wurde von den Römern erfunden, sie rundet das gelungene Essen in Gesellschaft ab.

"Dessert geht immer", sagte der Kellner selbstbewusst und schaute mich herausfordernd an. Er schien sich nicht vorstellen zu können, dass man nach dem Abendessen satt war und kein Verlangen hatte nach etwas Süssem auf der Zunge.

Er hatte ja recht, das Dessert hat eine sehr lange Geschichte. Seit über 2000 Jahren gibt es Speisefolgen, in denen oft das Süsse am Ende kam. Bei den Römern waren es oft Nüsse und Honig oder süsse Gebäcke, die man am Ende eines Essens quasi als Nachspeise auftischte. Diese sollten einen angenehmen Geschmack im Mund erzeugen und die Tischgespräche versüssen.

Aber wie vieles andere auch, existieren die Desserts als solche nicht ununterbrochen seit der Antike, sie wurden quasi im 18. Jahrhundert nochmals neu erfunden und perfektioniert. Diese Nachspeisen aus Zucker dienten nicht mehr der Ernährung, sie waren quasi die Kür der Köchinnen und Köche, damit wurde angegeben und mit Desserts wurde oft ein Aufwand getrieben, der alle andere Kochanstrengungen der Mahlzeit übertrafen. 

Zuckerbäcker als Künstler

Desserts und Zuckerkunstwerke auf der Tafel blieben jedoch lange auf die Höfe beschränkt, erst nach der Französischen Revolution kamen häufiger raffiniertere Süsspeisen auch auf bürgerliche Tische. Es begann die grosse Zeit der Zuckerbäcker, die ganz Europa von oben nach unten mit handwerklich hochstehenden Süssspeisen und Desserts versorgten. Damals wurden die Baisers, Macarons Puddinge populär und mit den Kaffeehäusern fand auch der Gugelhupf seinen Weg von Wien nach Westen.

Die Hausfrau und das Dessert

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Dessertherstellung durch eine Industriefirma aus Bielefeld quasi revolutioniert.

Nicht mehr handwerklich hochstehende Zuckerbäcker oder moderner Konditorinnen stellten das Naschzeugs her, sondern es kamen industriell vorgefertigte Industrieprodukte auf den Tisch, erfunden von einem unternehmerischen Apotheker aus der deutschen Provinz, Dr. Oetker.

Der Pudding von Dr. Oetker wurde zwar schon vor dem Zweiten Weltkrieg erfunden, aber seinen Siegeszug trat er erst in den 50er und 60er Jahren an. Pudding wurde damals zum Inbegriff von Dessert.


Hausfrauen versüssten fortan das Leben ihrer Familien mit praktischen Industrieprodukten.
Hausfrauen versüssten fortan das Leben ihrer Familien mit praktischen Industrieprodukten.

Es ist erstaunlich wie damals der Nachtisch mit dem Geschlechterbild verquickt wurde. Die Frau band ihren Ehemann mit Süssem, das Kochen und vorallem die Befriedigung des Ehemannes mit Süsspeisen wurde zur Pflicht für Ehefrauen. Es war buchstäblich der Pudding der Frau und Mann zusammenhalten sollte.


Dr. Oekter Werbung aus den 50er Jahren.

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