In Mitteleuropa werden seit römischer Zeit Schweine gezüchtet. Die Römer kannten auch schon die Bodenheizung. Während wir im Mittelalter den Komfort von guten Heizungen wieder vergessen haben, blieben wir der Schweinehaltung ununterbrochen treu.
Es heisst, schon in der Antike seien Luganighe gegessen worden. Darum wurden innerhalb der römischen Grenzen oft Schweine gehalten. Da die Tiere kühlfeuchtes Klima mögen und oft sogar in Wäldern genügend zu Fressen fanden, gediehen sie im Norden sogar besser als im Süden. Da auch die römischen Untertanen ihr exzellentes Fleisch zu schätzen wussten, wurden die Borstentiere auch nach dem Untergang der Römer nördlich der Alpen weiter gezüchtet.
Bis zum Ende des Mittelalters lebten die Schweine in Herden in den grossen Wäldern Nordeuropas und bereicherten den Speisezettel der Landbevölkerung. Grundherren, die Weiderechte für Schweine in ihren Wäldern verpachten konnten, erhielten im Frühmittelalter oft mehr Lehen dafür als für Holzschlag.
Schweine sind Allesfresser, in den Wäldern frassen sie neben Eicheln und Buchennüssen gerne auch Käfer, Pilze und Schnecken. Durch sie konnte der Wald auch zur Lebensmittelproduktion genutzt werden.
Im Mittelalter waren die Schweine noch nicht sehr gross, ihr Fleisch konnte daher von den oft verstreut lebenden Menschen gut verwertet werden, am besten gelang dies gegen Ende des Jahres bei kühler Witterung, also in der Zeit, in der auch heute noch die "Metzgeten" stattfinden.
Von der Waldweidehaltung im Mittelalter zum Hofschwein
Die Waldweidehaltung der Schweine ging erst zurück als in Europa viele Wälder abgeholzt wurden um Platz zu machen für intensivere landwirtschaftliche Nutzungen. Auf den Höfen des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit lebten vermehrt Rinder, Schafe und Ziegen, von denen nicht nur das Fleisch genutzt wurde. Statt Schweineherden in Wäldern gab es auf den Höfen nun nur noch einzelne Schweine, die auch mit Essensresten und Abfällen gefüttert wurden. Im Unterschied zu Rindern oder Schafen, die sich von Gras ernährten, waren Schweine, die auf Höfen gehalten wurden immer auch Futterkonkurrenten des Menschen, da sie die gleichen Lebensmittel mochten.
So lange viele Bauern in erster Linie von Selbstversorgung lebten, blieben die Schweine in guten Zeiten beliebte Fleischlieferanten, in schlechten Zeiten gab es kaum Schweine, da das Futter in der Not nicht für alle reichte.
Generell war der Fleischkonsum damals in vielen Gegenden der Schweiz auf tiefem Niveau schwankend
Vom Hofschwein zur Industriehaltung von Schweinen
In der Schweiz stieg die Zahl der Schweine erst wieder markant an, als sich die Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu spezialisieren begann. Im Zuge der Milchwirtschaft und der Käseproduktion fiel als Abfallprodukt oft Molke an, die sich gut eignete um damit Schweine zu mästen. Die Schweiz ist durch den Käse auch zu einem Schweineland geworden. Es gibt auch heute noch Gegenden in unserem Land, in denen die Zahl der Schweine weit höher ist als die Einwohnerzahl. In Ebersecken im Kanton Luzern lebten 2014 dreizehn mal mehr Schweine als Menschen.
Seit den 50er Jahren werden allerdings die Schweine vermehrt mit Futtermitteln gemästet, die sich auch für die Ernährung der Menschen gut eignen würden, namentlich sind dies neben der Molke Soja und Mais. Zu Recht stellen sich viele Konsumenten die Frage, ob es nicht eine Form von Foodwaste sei, wenn gute Lebensmittel den Schweinen verfüttert zu werden, um daraus Fleisch zu machen.
Dennoch ist das Schweinefleisch sehr beliebt, noch leben 1.36 Millionen Schweine in unserem Land, also nur unwesentlich weniger als Kühe (1.5 Mio). Allerdings bekommt man kaum je ein Schwein zu Gesicht. Sie leben eingepfercht in engen oft klimatisierten Ställen und wir kennen ihre Lebensbedingungen nicht. Während die Kuh im Verlauf der letzten 150 Jahre zum Inbegriff der Schweizer Landwirtschaft geworden ist, haben wir die Schweine aus unserem Bewusstsein verdrängt.
Schweinezüchter stehen unter grossem Preisdruck, immer wieder machen Fleischskandale aus dem In- und Ausland die Runde, die meist das Schweinefleisch betreffen. Dennoch wird in der Schweiz auch heute noch mehr Schweine- als Rindfleisch gegessen. Rund die Hälfte der 50kg Wurst und Fleisch, die ein Einwohner in unserem Land pro Jahr verdrückt, stammt von einem Borstentier.
Warum investieren wir da eigentlich nicht in bessere Qualität? Warum darf es den Schweinen nicht ein bisschen besser gehen? Sind wir tatsächlich nicht bereit, etwas mehr auszugeben für bessere Schweineleben und damit für bessere Schweinefleischqualität?
Von den unsichtbaren Schweinen zum Vorzeigeprodukt
Die Anstrengungen für besseres Schweinefleisch sind nicht neu. Bereits im Zuge der ersten grünen Welle Anfangs der 90er Jahr gab es Bestrebungen für eine bessere Schweinehaltung. Damals machte die Initiative Porco Fidelio, Schlagzeilen, die sich für biologische Freilandhaltung von Schweinen einsetzte. Aber während heute selbst Aldi und Lidl immer mehr Bioprodukte anbieten, ist biologisches Schweinefleisch ein Nischenprodukt geblieben, An der Schweinehaltung lässt sich deutlich aufzeigen, dass wir mit unserer Ponyhofmentalität bei der Lebensmittelproduktion nicht weiter kommen. Schweine in grösserer Zahl im Freiland zu halten ist problematisch, das wird selbst von Biobauern anerkannt. Es gibt klare Verbesserungen in den letzten Jahren in der Schweinehaltung in der Schweiz, aber es bleibt noch viel zu tun. Immer noch haben die meisten Tiere keinen Auslauf und viele Schweinezüchter scheuen den Mehraufwand beim Einsatz von Nebenprodukten der Lebensmittelproduktion bei der Mast.
Erfahren sie mehr über die Hintergründe dazu und über die Idee eines innovativen Schweinemästers aus dem Appenzell mit einer ganz alten Schweinerasse zu experimentieren in unserem Podcast mit Ueli Tanner.
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